Hedwig Brenner: Jewish Women in the Visual Arts V

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Hedy-Berlin-.11-2013 1557Rachel Hirsch, Dr. Annemarie Jaeggi, Hedwig Brenner, Ayelet Shalev, Christel Wollmann-Fiedler

Laudatio und Rezension von
Christel Wollmann-Fiedler
Berlin im November 2013

„Jüdische Frauen in der bildenden Kunst“ von Hedwig Brenner

Das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland bekam Hedwig Brenner im März 2012 vom Deutschen Botschafter in Israel überreicht. Drei Wochen später erhielt sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst vom Österreichischen Botschafter in Israel. Eine hohe Ehre waren die beiden Auszeichnungen für die Lexikographin und Schriftstellerin und machten sie stolz. Für ihre vier Lexika „Jüdische Frauen in der Bildenden Kunst“ wurden ihr die Auszeichnungen zuteil. Nicht nur eine Ehre, auch ein Vermächtnis und Ansporn wurden diese Medaillen mit Adler und bunten Schleifen. Ohne Zögern nahm sie die Kraft ihres Alters, ihrer dreiundneunzig Lebensjahre zusammen, und machte sich erneut an die Arbeit. Wieder wollte sie Jüdischen Künstlerinnen aus unterschiedlichen Ländern und Kontinenten einen Namen, einen Platz auf ewig geben und ihr künstlerisches Können für alle Zeiten festhalten. Verschiedene Herkunftsländer, deren Kulturen, Stile und Moden, prägen die künstlerischen Werke der Frauen, wie auch in den vergangenen vier Lexika. Malerinnen, Designerinnen, Illustratorinnen, Weberinnen, Bildhauerinnen, Töpferinnen, Gold- und Silberschmiedinnen und Fotografinnen sind vereint in diesem „Unkonventionellen“ Lexikon, wie Hedwig Brenner ihre Arbeit nennt. In dieses 5. Lexikon nahm sie zum ersten Mal Architektinnen, Stadtplanerinnen und Landschafts-architektinnen auf. Den Anreiz erhielt sie im Bauhaus Dessau auf der 21. Tagung der Arbeitsgemeinschaft „Frauen im Exil“, im Jahr 2011, wohin sie als Ehrengast eingeladen war und über das Schicksal der Architektin Zsusanna Klara Banki aus Györ in Ungarn hörte, die 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Andere Namen kamen hinzu, der Berg der Biografien wuchs auf über vierzig. Bereits in den 1920er Jahren absolvierten diese Frauen Technische Hochschulen und Akademien in Europa, um Diplome abzulegen. Die Architektin und Stadtplanerin Genia Awerbuch aus Russland war eine von ihnen und bereits in den 1930er Jahren entstand unter ihrer Planung der „Zina Dizengoff Platz“ in Tel Aviv im Stil des Bauhauses inmitten der „Weißen Stadt“.

Ruth Enis, die Landschaftsarchitektin, wurde 1928 in Czernowitz in der Bukowina geboren und kam bereits als Kind nach Palästina. Nach Lebensodysseen studierte sie am Technion in Haifa Architektur und Stadtplanung. In Amsterdam setzte sie das Studium fort, bekam ihr Diplom, als Professorin arbeitet sie bis heute am Technion in Haifa. Internationale Einladungen bekam sie in den Jahren, ihre Publikationsliste ist reichhaltig. Weitere 42 hochinteressante Biografien von Architektinnen, Stadtplanerinnen und Landschftsarchitektinnen sind von Hedwig Brenner in das Lexikon aufgenommen worden.

Das 2. Kapitel hat die Überschrift „Bildhauerinnen, Töpferinnen, Gold- und Silberschmiedinnen“. 40 Biografien gibt es in diesem Kapitel, eine davon ist Vera Gellert, die 1929 in der Nähe von Budapest geboren wurde. Mit der Familie kam sie ins Ghetto, die Schwester wurde nach Dachau deportiert. Vera überlebte die unmenschliche Zeit. Auf großen Umwegen über Zypern erreichte sie später Israel, studierte in Jerusalem an der Kunstakademie, heiratete, bekam Kinder und arbeitete als Kunsttherapeutin. In verschiedenen Museen und Galerien wurden ihre Bildhauerwerke und Acrylbilder ausgestellt. In Tel Aviv ist ihr Zuhause.

Reichhaltig ist die Anzahl der Fotografinnen-Biografien, über 119 Künstlerinnen hat Hedwig Brenner geschrieben. Rachel Hirsch wurde noch vor Kriegsbeginn 1937 als Tochter eines Arztes in Berlin geboren. In Windeseile floh die Familie vor den Nazis mit dem letzten Schiff nach Bolivien. Rachel und ihre Geschwister besuchten dort die Schule, 1949 kam die Familie Hirsch an die Levante, nach Israel. In dem neu gegründeten Staat studierte Rachel Jahre später an der Universität in Jerusalem, 1967-70 an der Staatlichen Fachhochschule für Fotografie in Köln. 25 Jahre arbeitete sie als freie Fotojournalistin für die Zeitung Ha’aretz und anderen Journalen. Ihre Fotoausstellungen waren in internationalen Galerien in unterschiedlichen Ländern zu sehen. In Ramat Gan wohnt sie seit Jahrzehnten.

Im 4. Kapitel wurden 151 Malerinnen, Designerinnen, Illustratorinnen und Weberinnen aufgenommen. 1905 wurde Edith Ban-Kiss in Budapest geboren, 1944 nach Ravensbrück deportiert, dann in ein Arbeitslager nach Genshagen bei Ludwigsfelde, südlich von Berlin. Kurz vor Kriegsende wurde sie mit anderen Häftlingen auf den Todesmarsch geschickt, überlebte und flüchtete 1945 nach Ungarn. Ihre Skizzen aus dem Lagerleben sind bekannt geworden, auch ihr Album „Deportation“, das bereits 1948 in Budapest ausgestellt wurde. Nach Frankreich emigrierte Edith, lebte einige Zeit mit ihrem Mann in Marokko. 1966 nahm sie sich das Leben.

Ein Fundus von 353 hochinteressanten Künstlerinnenbiografien ist entstanden in dem „unkonventionellen“ 5. Lexikon von Hedwig Brenner, der fünfundneunzigjährigen Lexikographin. Eine hervorragende nicht zu beschreibende Leistung.

Hedwig Brenner
Jüdische Frauen in der bildenden Kunst V
Ein biographisches Verzeichnis.
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
1. Auflage 2013, 176 Seiten mit Bilder-CD
€ 19,80. ISBN 978-3-86628-473-X