The Mixture of Peoples in Bukowina


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Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung
N° 87. Donnerstag, den 23. Juli 1891

Im Völkergemisch der Bukowina.
Ethnographische Studien von Fritz Racher.

Nach der Geschäfte Drang und Mühen winkt endlich wieder ein freier Tag, den ich dazu benütze, meine Kenntnisse von Land und Leuten zu bereichern, und dierin bietet wohl kaum ein Ländchen der Erde vielseitigere Gelegenheit, als das Land der grünen Buchen, die gesegnete Bukowina. An einem herrlichen Morgen besteigen wir den flinken Zauberwagen, der uns in Zeit von wenigen Stunden das Leben und Treiben 10 verschiedener Volksstämme vor Augen zu führen im Stande ist, möge mich der freundliche Leser auf dieser Rundfahrt begleiten. Das Gefährt rollt in nördlicher Richtung von dannen, Schloß und Dorf Waszkoutz [Vășcăuți: 47.9692655,26.022749] liegen bald fern hinter uns, der Weg schlängelt sich durch die Weidenbrüche des Sereth, die diesen Fluß auf seinem ganzen Laufe in weiter Ausdehnung umrahmen, und in einen eigenartigen Landschafts-Charakter sehen wir uns da versetzt. Schweigende Ruhe herrscht ringsum, nur zuweilen unterbrochen durch das Rasseln der Elstern, die hier in Schwärmen von bis zu 50 Stück vorkommen; dies erklärt uns das gänzliche Fehlen der gefiederten Sänger. Ein Füchslein kreuzt mit blitzschnellen Sprüngen unsern Weg, Habicht und Falke ziehen in geringer Höhe beutesuchend ihre Kreise, während hoch oben der Königsadler sich sonnetrunken im blauen Aether wiegt. Selbst Meister Isegrim benützt öfters diese Brüche als schützende Passage auf seinen Raubzügen, nur vom armen Lampe ist keine Spur zu entdecken, denn das zwei- und vierbeinige, befiederte und behaarte Raubzeug, sowie die unvermeidlichen Wilddiebe haben den noch vorhandenen Bestand sehr vorsichtig gemacht. Jetzt senkt sich der Weg gegen den in endlosen Windungen dahinziehenden Fluß, nimmt in den trägen Wellen ein Bad, um am andern Ufer neugestärkt wieder empor zu klimmen und den Wagen mit doppelter Kraft herüber und hinüber zu werfen. Doch bald ist das Schlimmste überstanden, und zwischen üppigen Triften und Maispflanzungen fahren wir in schnurgerader Richtung auf Tereblestie [Terebleche: 48.0223343,26.0545062] zu. Das Dorf, das seinen Namen den Tataren verdankt, besteht aus drei Theilen, nämlich schwäbisch, slovakisch und rumänisch Tereblestie. Bei der Einfahrt glauben wir uns plötzlich in den fernen Schwarzwald versetzt, so treu haben die Colonisten die Sitten und Bräuche ihrer schönen Heimath bewahrt. Da sind die schmucken Straßen und Gassen, die stattlichen Bauernhöfe belebt mit urechten alten Schwarzwaldbauern, flinken Buab’n und schwäb’schen Blitzmoidelen in weiten Reifenröcken und farbigen Schürzen. Und der Dialekt noch ganz so, wie er zwischen Kinzig und Neckar so behaglich-naiv und freundlich-komisch singt und klingt. Alt und Jung zieht den Hut und bietet ein fröhlich „Grüeß Gott!“ oder „Gudden Dag!“. Wie wohlthuend ist ferner der Anblick des neuerbauten Gotteshauses und des Gebäudes, wo an großem Schilde die Inschrift „Volksschule“ prangt, Stätten des Lichts inmitten des slavisch-rumänischen Halbdunkels. Hierher fahren wir Protestanten der Südbukowina, wenn es uns drängt, wieder einmal Gottes Wort in deutscher Sprache und lutherischem Glauben zu hören, und hier vor dem Altar hat uns auch die kleine Schaar der Confirmanden den Beweis geliefert, daß ihr die Lehre Luther’s fest ins Herz gepflanzt ist, somit das entlegene evangelische Eiland den brandenden Wogen des römisch-russischen Oceans Stand halten werde für alle Zeiten. Nur das stattliche Gasthaus zum „rothen Ochsen“ oder „goldenen Rößle“ fehlt, um das Bild eines echten Schwabendorfes zu vollenden, hier sitzt der hier zu Lande unvermeidliche, jüdische Propinations- oder Schankpächter Pinkas Rosenzweig. Auch slovakisch Tereblestie besitzt sein katholisches Kirchlein, die ärmlichen, strohgedeckten Hütten und die davorliegenden dürftigen Gestalten bieten aber, abgesehen von den interessanten Typen, nichts Bemerkenswerthes. Wir wenden uns nun, am jüdischen Bethaus vorbei, gegen Osten, durch den von Wallachen bewohnten dritten Theil des Dorfes. Die Häuser liegen so zerstreut, als ob etwa ein übermüthiger Berggeist sie aus einem Sack heraus über den Hang des Hügels hinweggeschüttet hätte, dahinter, dicht am Rande eines sich meilenweit in die Moldau hineinziehenden Laubwaldes, wölben sich über der Stätte der Andacht drei mächtige Kuppeln, mit drei vergoldeten Kreuzen geschmückt, die bei herrschenden Nebeln oft wie blinkende Sterne zu uns herüberleuchten. Unter diesen Wahrzeichen des Christusglaubens gewahren wir 3 Halbmonde, also wohl ein Symbol des Sieges der Christen über die Mohamedaner, wofür schon der Ort selbst spricht. Denn daß hier zwischen Kreuz und Halbmond blutige Kämpfe stattgefunden haben, das beweisen die zahlreichen Verschanzungen, auf die man in oben erwähntem Forste stößt, und die noch heute im Volksmunde die „Türkenwälle“ heißen. Im Dickicht dieser Wälder hält sich der Wolf in starken Rudeln auf und verheert, namentlich im Winter, die umliegenden Dörfer, ja bis vor wenigen Jahren trieb noch manch Raubgesindel darin sein Wesen.

Nach kurzer Fahrt tauchen die Häuser einer größeren Ortschaft auf den Kukuruzfeldern auf, es ist Untersinoutz [Nyzhni Synivtsi: 48.0068009,26.1293655], und nachdem der Paß auf dem diesseitigen Grenzposten visirt und die Beschaffenheit der Pferde genau notirt ist, halten wir in 5 Minuten vor dem rumänischen Schlagbaum. Der hier erscheinende Douanier blickt uns erst mißtrauisch an, und tastet dann mit einem Eifer, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre, in der Heueinlage des Wagens herum, denn die sicherlich im Dienst stark geröthete Nase scheint unbedingt etwas Steuerbares zu wittern. Doch den Diensteifer des Wackern krönte kein Erfolg. Zum Ueberfluß giebt er nun noch die unliebsame Erklärung ab, die die beiden Rosse ohne Garantiescheine nicht passiren könnten, eine Maßnahme, die sich gegen den häufigen Pferdeschmuggel richtet. Ich ziehe deshalb vor, den Wagen auf kaiserlich königlichem Boden warten zu lassen, und den Weg nach dem unfernen Städtchen Mihalenj [Mihăileni: 47.971678,26.1401223] zu Fuß anzutreten, um größere Unkosten zu vermeiden. Da prangt gleich beim Eintreten über der Zollstation ein großes farbenreiches Schild mit dem rumänischen Wappen, Soldaten in namenlos schmierigen Uniformen, verlotterter Haltung und ohne jegliche Art von Waffen, betrachten neugierig den Ankömmling, von allen Seiten drängen sich semitische Fuhrleute an uns heran, um ihre elenden Gefährte mit den abgeschundenen Rößlein davor zu einer ganz billigen Fahrt nach Botusani anzupreisen. Links lassen wir die imposante, von Anlagen umfriedete Kuppelkirche, sowie die Villa des Fürsten Gigba liegen, der für die größte Zeit des Jahres die Einsamkeit seiner Heimath mit dem rauschenden Leben der Seine-Stadt vertauscht, und bald ist die einzige Straße des Ortes durchwandert. Den Mittelpunkt nehmen, wie in allen Landstädten des Ostens, die Verkaufsläden der Juden ein, die auf Grund und Boden des ebenerwähnten Fürsten ihre nothdürftig gebauten Waarenhäuser errichtet haben, um den Landbewohnern der Umgebung Gelegenheit zum Einkauf ihrer wenigen Bedürfnisse zu geben. Aber die zahllosen Ruinen, die man hier kopfschüttelnd und hell auflachend zu Gesicht bekommt, spotten jeder Beschreibung. Erwähnt sei nur, daß, wenn das Haus einen Theil seines Daches durch Einsturz einhüllt, mittels zweier Balken und einiger alten Bretter ein Nothdach darüber gesetzt wird, das wiederum nach einiger Zeit mehreren Reparaturen unterzogen wird, so daß man bewohnte Räume mit 3 und 4 Nothdächern übereinander gethürmt, nicht selten findet. Doch dies conservative Verhalten hat seinen triftigen Grund; die Existenz der Kinder Israels hängt ja nur von der Gnade des durchlauchtigsten Grundherrn ab, der seine Clienten nach Belieben jederzeit zwingen kann, innerhalb 24 Stunden die gesammte Colonie mit Sack und Pack aufzuladen und aus dem Revier zu verduften, oder besser zu verschwinden, denn der nachherrschende Knoblauchgeruch würde noch lange von vergangenen Zeiten erzählen. Nun vorerst sitzen sie noch fest, schauen wir uns daher weiter nach ihnen um. Die Ladenschilder tragen alle neben ihren rumänischen Inschriften zur besseren Orientirung der fast durchweg des Lesens unkundigen Käufer große Illustrationen in weißer Oelfarbe. Da sehen wir plump gemalte Weingläser, Schnapsgläser, Brezeln und Stiefel, Werkzeuge, Peitschen, Fische, Semmeln und andere oft undefinirbare Gegenstände, von der Hand eines unentdeckten Genies aufs Holz gebracht, daneben duftende und funkelnde Namen wie Aaron Tulpenblüh, Schmil Diamant, Itzig Rosenberg. Bei ainem vun diese Lait’ wird für „[fennef Silber]“ (50 Bani) eine Schachtel Rehatlicum und ein Viertel Halwa als Rarität mitgenommen; türkische Leckereien, die von Galatz aus bis zu dem Nordwestzipfel des Königreichs ihren Weg finden. Auf der Post, wo man sich auch in Französisch verständigen kann, werden Briefe in die deutsche Heimath entsendet, Geldstücke mit dem Kopf des Königs Karol als Andenken mitgenommen, nun aber, um einmal den feurigen Moldauerwein zu kosten, auf die Suche nach der berühmten Nr. 68, die mir einstimmig als beste Quelle empfohlen wurde. Da von weither Beamte und Gutsherrschaften diese als Ziel ihrer Ausflüge wählen, so vermuthete ich ein comfortables Gasthaus zu finden, fand jedoch nur eine schmutzstarrende Schänke voll Qualm und lärmender Gestalten vor. Von einem verschmitzt dreinschauenden Juden, dessen Galgenphysiognomie jedem Verbrecher-Album Ehre gemacht haben würde, wird man durch drei dunkle Räume in ein entlegenes Hinterzimmer becomplimentirt, in dessen Einsamkeit ich mich eines gelinden Argwohnes nicht erwehren konnte. Unwillkürlich kam mir das Märchen aus 1001 Nacht in den Sinn, worin Prinz Mahmud in einem solchen Hinterstübchen plötzlich in die Unterwelt versenkt wird, um drunten ins bessere Jenseits befördert zu werden. Doch ich blieb unangefochten und fand den Wein so vorzüglich, daß ich ihn dem schmunzelnden Wirthe für den besten je gekosteten Tropfen offener Verzapfung erklärte. Bis in die äußerste Fußspitze durchrieselt den Zecher behagliches Feuer, und wegen seiner Reinheit kann man ein beträchtliches Quantum vertragen. Für ein Viertel vom besten bezahlt man nur 12 Bani, also etwa 10 […], während geringerer schon für 16 […] den Liter zu haben ist. Da in der Bukowina kein Wein angebaut wird und bedeutender Zoll auf ihm steht, so wird von der Moldau aus ein lebhafter Schmuggel über die Grenze betrieben. Zehn Mann schnüren sich eine je 10 Liter fassende Blechkapsel unter dem Rocke fest, und in einer halben Stunde ist auf diese Weise ein Hektoliter Rebensaft auf österreichischem Boden.

Wir wenden nach beendeter Umschau der Pforte zum Orient wieder den Rücken, zwei Mauten werden passirt, wobei der jeweilige jüdische Pächter schmunzelnd seine 12 Kreuzer Wegsteuer einstreicht, und nachdem der Serethfluß zum zweiten Male durchquert ist, nimmt uns das Amtsstädtchen Sereth [Siret: 47.9612338,26.065675] in seine Mauern auf. Es liegt malerisch zwischen steilen Hügeln gebettet, mit Ausnahme der Staatsgebäude sind alle Häuser und Ruinen mit Stroh oder Dranitzen (den landesüblichen Holzschindeln) gedeckt, ein jedes hat seinen von Säulen getragenen Vorbau, unter dem sich am Ruhetag die Familie aufhält, ein kleiner verwilderter Garten umschließt das Besitzthum. Ein unsauberer Eindruck behält die Oberhand, wir befinden uns in einem ausgeprägten Judennest. Da herrscht reges Leben auf Gasse und Platz, von Sonntagsruhe keine Rede wohin man blickt nur Juden und Juden, so unsäglich schmutzig, daß man fürchtet, bei Berührung mit ihren fettglänzenden Kaftanen kleben zu bleiben. Am Sabbath sieht es freilich ganz anders aus, da scheint das Städtchen wie ausgestorben; kein Laden ist geöffnet, und die semitische männliche Einwohnerschaft eilt in neuem seidenen Kaftan, frischgestriegelten Hängelöckchen, und den schwarz- und weißgestreiften Tala[…] (Gebettuch) über die Schultern gelegt, der Betschul’ zu, um dort den Tag zu verbringen. Den Kopf ziert die, ehemals dem polnischen Adel als national zu eigen, oft sehr kostbare Pelzmütze mit schwarzem Sammtdeckel, darunter deckt zum Ueberfluß noch ein schwarzes Sammtkäppchen das Haupthaar des Mannes, da er nach Vorschrift des Talmud weder in der Kirche, noch bei der Mahlzeit, noch im Hause eines Fremden baarhäuptig erscheinen darf. Heute feilschen sie auf Tod und Leben mit dem ruthenischen Bauern, der seine Waare glücklich über alle Hindernisse weg bis hierher gebracht hat; denn da dieser auf dem Weg zum Markte an zahllosen Schenken vorbeiziehen muß, so wird er öfters schon unterwegs der Mühe enthoben, seine Eier, Knoblauch, Federvieh, Holzgeschirre und andere Erzeugnisse häuslichen Fleißes nach dem fernen Städtchen zu bringen. Es findet sich ja in jedem Dorfe ein großmüthiger Schankjude, der ihm seine Last gegen alkoholische Genüsse eintauscht. Welch einen Zauber aber so ein allwöchentlicher „Jarmar[…]“ Trubel auf Alt und Jung ausübt, mag daraus erhellen, daß Dutzende von Frauen und Mädchen mit einer einzigen Henne unterm Arm, für die man hier 40 kr. bezahlt, oft 6 Stunden weit zu Markte laufen. Nach beendeten Geschäften wird dann in einer der unzähligen Schnapsgewölbe eifrig debattirt, bis die sinkende Sonne zum Aufbruch mahnt. Doch neben anderen Segnungen der Cultur hat sich auch der edle Gerstentrank seine Rechte verschafft, das beweist der Umfang der Beill’schen Brauerei, die ihr vortreffliches Lagerbier nach allen Amtsstätten und deutschen Colonien der Umgegend bis hoch hinauf an die ungarische Grenze versendet. Der warmen Gastfreundschaft des Besitzers gegen uns sonst höchst unbeliebte „Preißen“ sei an dieser Stelle dankbar gedacht. Auch in Sereth finden wir die illustrirten Ladenschilder, in den unglaublichsten Ausführungen und Coloriten, man könnte sich tagelang am Studium derselben ergötzen. Mit der Orthographie nimmt es der Künstler nicht immer genau, wie folgende Beispiele beweisen: Alles gutt un billich! Einkerhaus der Sissel Wachsblei. Daß man hier übernachten und ausspannen kann, machen einige auf dem Schild gemalte Betten und Pferde begreiflich. Oder: Kreislerei des Moses Leib Kimmel. Sur Billigkeit! Schnirch Jawetz Bärwolf, consesonürter Hufschmied, a. u. m. Im Hotel Beill wird Mittagsrast gehalten, dann bringt uns der Wagen in langsamer Fahrt unter fortwährendem He moj!-Rufen des Kutschers durch den fast undurchdringlichen internationalen Völkerknäuel hinaus ins Freie. Die Straße klettert steil bergauf gegen ein Hochplateau, oben steht eine altersgraue Kapelle, da wo der Weg nach Negostina, dem Stammsitz der armenischen Baronsfamilie v. Kapri, abzweigt. Auf der Erde kniet ein blinder Greis, mit markdurchdringender Stimme ruft er die Vorübergehenden um ein Almosen an, und fleht zum Dank für eine milde Gabe den Segen aller russischen und rumänischen Heiligen auf dein Haupt herab, indem er unaufhörlich seine Stirne in den Straßenkoth senkt. Die Hunderte von Landbewohnern, welche hier passiren, spenden ohne Ausnahme ihr Scherflein, sonst die Ungnade des Himmels fürchtend, aber trotz des also einträglichen Geschäftes ist der Bettler hierorts eine seltene Erscheinung. Zwischen fruchtbaren Feldern geht es nun ohne Abwechslung fast eine Stunde fort, angebaut ist meist das vom ruthenischen Bauer mit Vorliebe gehegte Kunterbunt von Mais, Kürbissen, Fisolen und Hanf, das der Boden ohne Düngung 6-8 Jahre hintereinander in reichem Maße giebt. Endlich haben wir die unsern Ausblick hemmenden Hügel im Rücken, und vor uns liegt mit einem Schlage, soweit das Auge sieht, die stolze Kette der Karpathen. Mächtig zieht es den Naturfreund da hinüber in die grünen Urwälder, die tiefen Thäler und Schluchten, und über die blauen Paßhöhen hinauf nach dem sagenumwobenen siebenbürgischen Hochlande.

Eine kurze Fahrt bringt uns nach den ungarischen Colonien Hadikfalva [Dornești: 47.8706017,25.9927511] und Andreasfalva [Măneuți: 47.8974407,25.9258462], deren Bewohner einst aus dem armen bergigen Szellerlande hinabgestiegen waren ins fruchtbare Suczawathal, wo sie ein reiches blühendes Heim fanden. Die uns hier erwartenden malerischen Bilder und Idyllen entschädigen reichlich die lange Bergstrecke. Da steht auf einer Anhöhe abseits die imposante Kirche, weit hinaus ins Thal schauend, das Dort besteht aus zwei schnurgeraden, parallel laufenden Straßen, in denen sich die schmucken, blendend weißen Häuschen in strenger Richtung und in gleichem Abstand dicht aneinander reihen. Die Familien finden wir allesammt im Freien: die Alten unterhalten sich auf der Bank unter der Linde, die Burschen tummeln sich beim Ballspiel oder Turnen, die Mädchen üben sich in tollem Uebermuth in Rauf- oder Fangspielen, die Kleinen versammeln sich um die zahlreichen Schaukeln. Und dazu die schönen kräftigen Gestalten, die scharfgeschnittenen sonnengebräunten Gesichter voll Feuer beim starken Geschlecht, die drallen glutäugigen Dirnen in ihren farbenprächtigen Nationalkostümen, jeder Meister des Pinsels würde seine Freude dran haben. Ersteres präsentirt sich in weiten weißen Hosen, bunter Weste und schneeigem Hemde, kokett mit Rosetten verzierten Reitstiefeln, federgeschmücktem Hute – das schöne Geschlecht in grellrothen Röcken, weißen mit bunter Stickerei verzierten Hemden, hohen Stiefelchen; in den üppigen Zöpfen, die am Scheitel beginnend über die Schläfen hinweg nach hinten geflochten sind, flattern gelbe, rothe und blaue Bänder lustig im Winde. Aber der wahre Festjubel herrscht auf den weiten Grasplänen, wenn die Fiedel klingt und der Tanz beginnt. Hei! wie die Sporen klirren, hei! wie der Czardaß dröhnt: „die weißen Pumphosen fliegen nur so im Kreise und die Eljen jauchzen wie Raketen auf zum Himmel“ – ein Bild, wie aus der Pußta zauberhaft hierhergestellt. Trefflich hat sich dies Völklein in Sprache, Sitte und Tracht rein erhalten von fremdem Einflusse. Unser nächstes Ziel ist Alt-Fratautz [Frătăuții Vechi: 47.9053511,25.8782102], wo wir gezähmte, oder vielmehr seßhafte Zigeuner in großer Menge vorfinden. Da liegen sie vor ihren höhlenartigen Wohnungen auf dem Rücken oder Bauche, meist in dem einfachen Kostüm, wie es Adam oder Eva im Paradiese trugen, blasen träumerisch die blauen Wolken ihrer Pfeifchen in die Luft, und lassen sich von der lieben Sonne wärmen. Oder sie entlocken den Saiten ihrer Geigen die wundersamsten Töne voll Freude und Schmerz, so daß man entzückt anhält und lauscht. Selbst die zerlumpten Bürschlein von fünf Jahren an besitzen schon ihr vom Vater zurechtgemachtes kleines Instrument, und fiedeln nach Herzenslust um die Wette. Trefflich zeichnet Franz Liszt mit wenigen Strichen den Lieblingshang des Zigeuners. „Er spielt nur sich selber, seine eigene Natur, seine Seele: die Musik ist ihm keine lernbare Wissenschaft, sondern eine vergeistigte Sprache, deshalb will der braune Sohn der Haide nichts von Notenkenntniß wissen, es kommt ihm auch nicht darauf an, die üblichen Uebergangsaccorde bei Seite zu lassen und mit einem salto mortale auf ein Neues überzuspringen. In einem Augenblick jauchzt und weint die Geige; der jubelnden Ausgelassenheit folgt unmittelbar die tiefste Melancholie – ganz der Zigeuner selber, dessen geistiges Wesen aus lauter unvermittelten Gegensätzen zusammengesetzt erscheint.“ Han dume Romnitschel? frug ich die braunen Gesellen und Dirnen, die mich neugierig musternd näher traten. Glotzende Verwunderung zuerst als einzige Antwort, und verblüfftes Erstaunen, daß so ein „gadscho“, ein Nichtzigeuner, ihre Sprache rede, zögernd rücken sie weiter vor – und plötzlich löst sich das starre Staunen: die Dirnen kichern, die Männer stoßen freudig einen Schwall fremdklingender Worte hervor, die weißen Zähne glänzen und die schwarzen Augen blitzen. Aber auch die schmutzigen Hände der hoffnungsvollen Zigeunerjugend haben bereits vertraulich meine Rockknöpfe gefaßt – ein paar Cigaretten den Alten, Mann wie Weib, ein paar Kreuzer den Jungen, und eilends setze ich meine Fahrt fort, denn im Laufe einer weiteren Unterhaltung könnte ich außer mit meinem Baarmitteln auch mit meinen Sprachkenntnissen auf diesem Gebiet ins Gedränge kommen. Die drei Worte aber, mit denen man die Geister so zu bannen und zu entfesseln vermag, sie bedeuten: Bist du vom Romvolk? ein Name, den sich der Zigeuner mit großem Stolze selbst zugelegt hat. (rom = Mann, Held.) Vor dem Dorfe beim langarmigen Schöpfbrunnen findet ein lebhafter Dialog statt. Der wallachische Waldheger wirft in herbem Tone dem schwarzen Peter seine gestrige Faullenzerei vor, für welche der Beschuldigte einen Feiertag vorschützt. Da aber der frommgläubige Rumäne von zigeunerischen Kirchenfesten noch nichts gehört haben will, sondern diese Rasse zu den schlimmsten Heiden stempelt, so entsteht ein heftiges Wortgefecht, aus dessen Inhalte ich mir zusammensetzen konnte, was sich die rumänische Sage von der Religion der Zigeuner erzählt. Letztere besaßen nämlich in uralten Zeiten eine hölzerne Kirche, die Wallachen dagegen eine solche von Speck. Aber eines Nachts stahlen die braunen Kinder der Natur das saftige Gotteshaus ihrer Nachbarn und setzten dafür das ihrige an die Stelle. Es dauerte auch nicht lange, so siegte die Stimme des Magens über diejenige des Herzens, die entwendete Kirche wurde aufgezehrt, und seitdem sind die Zigeuner ohne Kirche und Glaube. Größtes Vergnügen bereitete mir diese mit Pathos von dem sehnigen Alten vorgetragene Legende, welche so hübsch die beiden schlimmsten Eigenschaften der schwarzbraunen Rasse kennzeichnet. Wer im Winter bei hohem Schnee in Holzgeschäften Fratautz passirt, der wird von halbwüchsigen Burschen ohne jegliche Art von Kleidung umringt, die sich für einige Kreuzer erbieten, im Schnee auf dem Kopfe zu stehen, Purzelbäume zu schlagen und den Abdruck von Front und Kehrseite der weißen Decke einzuprägen. Welch ein Gegensatz! Tracht und Gebahren ächt tropisch, Natur nordisch. Auf schier grundlosen Feldwegen gelangen wird nach einstündiger Marter zu der Lippowaner-Siedelung Klimoutz [Climăuți: 47.9647256,25.9258353], die mit ihrer grüngestrichenen kleinen Kuppelkirche vollständig in einem Wald von Obstbäumen versteckt ist. Eine halbe Meile davon, sich scharf von dem dunkeln Hintergrunde des Waldes abhebend, liegt in schweigender Weltabgeschiedenheit die Schwester-Colonie Biala kiernitza [Bila Krynyzja: 47.976917,25.8833555], von den Rumänen Fontina alba (beide Namen zu deutsch „Weißer Brunnen“) genannt. Beim Graben des Brunnens sollen die Mönche [… …] zwischen den Wurzeln einer alten Buche auf ungeheure Schätze gestoßen sein, von denen das Volk sich erzählt, daß sie von den Räubern der Ostkarpathen an deren dortigem Versammlungsorte angehäuft, bei einer plötzlichen Flucht aber im Stiche gelassen worden seien. Zwei Kirchen-Kuppeln und die beiden Flankenthürme des Klosters, des einzigen dieser Secte auf dem ganzen Erdenrund, lugen dort aus dem Obstbaumdickicht hervor, während der runde Mittelthurm seine blendend weißen Formen hoch hinauf in den blauen Aether erstreckt, wie ein mächtiger Leuchtthurm anzuschauen, der dem mit den stürmischen Wogen des Lebens ringenden Sünder Rettung und Schutz zuwinkt.

Lippowaner nennen sich großrussische Fanatiker, die sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts von der russischen Staatskirche lossagten. Um sie wieder dem früheren Glauben zuzuführen, ließ Peter der Große alle nur denkbaren Gewaltmittel anwenden, so an nicht gesetzlichen Fasttagen ihnen Fleisch in den Mund stopfen, ferner Bart und Haupthaar kurz scheren u. V. m., aber er bewirkte nur, daß sich die Anhänger der neuen Richtung über die Grenze flüchteten, und am Schwarzen Meere, in der Moldau und Türkei ansiedelten. Von hier kamen sie durch Vermittlung Kaiser Josef’s II. um das Jahr 1780 nach der Bukovina, wo sie obengenannte Colonien gründeten. In Klimoutz sitzen die priesterlosen, in Fontina alba diejenigen Gläubigen, welche eine geistliche Macht nicht vermissen wollen. Die Lippowaner sind ein hochgewachsener Menschenschlag mit schönen blonden Typen, aber oft blatterspurigen Gesichtern, ihre Tracht ist die der alten Moskowiter. Der Mann trägt über dem rothgestreiften Linnenhemd ein blousenartiges, bis zu den Knieen herabreichendes Untergewand aus rothem Zwilch, das in der Mitte durch einen Gurt zusammengehalten wird; darüber einen langen, gleichfalls gegürteten blauen Tuchrock und einen breiten Filzhut, unter dem das dichte, nie von der Scheere berührte Haupthaar hervorquillt. Denn sie halten es für sündhaft, Haar und Bart zu verschneiden. Wie die Männer tragen auch die Frauen Hemden von brennend rother Farbe, buntgeblümte grellfarbige Zwilchröcke, und darüber den blauen Tuchmantel, der dicht unter dem Busen gegürtet, in unförmigen Falten bis auf die Knöchel fällt. Ihre Kopfbedeckung bildet der sog. kokoschnik, ein mit herabhängenden Tüchern reich geschmückter Cylinderhut. Eine größere Gruppe dieser Leute macht einen höchst
eigenartigen Eindruck. Der Glaube der Lippowaner richtet sich vor Allem gegen alle Neuerungen des Staatswesens und der Kirche. Sie halten sich als „Leute vom wahren Glauben“ streng von Andersgläubigen getrennt, und vermeiden möglichst eine Berührung mit ihnen. Der Stuhl, auf dem ein „ungläubiger Hund“ gesessen, der Becher, aus dem ein solcher getrunken, werden vor weiterem Gebrauch erst sorgsam abgewaschen und gesegnet. Der Lippowaner bekreuzt sich vor jeder Handlung dreimal, er fastet 187 Tage des Jahres; er versagt sich gänzlich den Genuß von geistlichen Getränken, von Kaffee und Thee, von Tabak, von Musik und Tanz. Seine Kirchen tragen keine Kreuze aus Metall, sondern aus Holz mit Blech umfaßt, „da Christus nicht an einem metallenen, sondern an einem hölzernen Kreuze gestorben sei“. Er wehrt sich gegen das Zählen und Brennen des Viehs, „weil das Euter und Fleisch verdorre“, und mit aller Macht gegen das Impfen. Selbst als eine Blatternseuche fast ein Drittel der Bewohner von Klimoutz hinwegraffte, blieb ihr Starrsinn ungebrochen. „Tödtet uns, aber wir thun’s nicht!“ war ihre Antwort, und daß man sie nun nicht weiter behelligte, beweisen ihre blatterspurigen Gesichter. Ein Arzt findet bei ihnen keinen Zutritt, „denn wer krank ist, den straft Gott für eine begangene Sünde“, er darf auch trotz der heftigsten Schmerzen nicht gepflegt werden. Das Blutvergießen und deshalb auch das Kriegshandwerk däucht ihnen schweres Vergehen, und als im Jahre 1868 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, da entflohen Hunderte von wehrpflichtigen Jünglingen aus der Monarchie nach allen Richtungen. So kam es, daß im Frühling 1869 von 400 conscribirten Lippowanern nur zwei, und diese zufällig abgefangen, auf dem Assentplatz erschienen. In neuerer Zeit haben sie es nun durchgesetzt, daß die Anhänger ihrer Kirche ausschließlich nur zum Sanitätsdienst herangezogen werden, was freilich ihren Grundsätzen ebenfalls zuwiderläuft. Ein jeder, auch der ärmste, Lippowaner hat Wagen (kibitka) und Pferd, das zwischen einer Gabeldeichsel unter schellenbehangenem Bügel läuft. Es ist durchweg ein ehrliches, fleißiges Volk, schweigsam und friedfertig, das sich mit Ackerbau, Obstzucht und dem Graben von Canälen und Dämmen beschäftigt. Sie pachten jeden größeren Obstgarten, und häufen in gemietheten Kellern der Städte ihre Vorräthe auf, so daß fast der ganze Obsthandel der Bukowina in ihren Händen liegt. Auch auf die Kunst des Obstdörrens und der Mostbereitung verstehen sie sich vortrefflich. So weit reicht das Ergebniß meiner Umschau und Nachfragen über diese eigenartige Secte, deren Zahl auf rund 2800 Köpfe geschätzt wird. Da steht so ein finster drein blickender Moskowiter am Rande des Weges. Eine dargebotene Cigarette lehnt er entschieden ab. Auf meine Frage, ob ihm der Genuß des Tabaks gänzlich fremd sei, erwidert er, daß ihm, zu Agram bei der Ambulanz in Diensten, einmal der Hauptmann eine Cigarre zu rauchen befohlen habe. Er gehorchte. Aber, setzte er in seinem schwermüthigen Tonfall hinzu. „po trey potiahe ja bul durnee“ (nach drei Zügen war ich dumm). Zum zweiten Male läßt er sich nicht zur Sünde verleiten. Die echt slavischen Laute I und tiefes y hören wir da noch unverfälscht klingen, während sie dem Ruthenen infolge stetiger Berührung mit Germanen und Romanen fast abhanden gekommen sind. Wie eine Erleichterung überkommt es einen, wenn man die Wohnstätten dieser unglücklichen, religiösen Fanatiker hinter sich weiß, wo weder wahre Christusliebe noch Bildung des Geistes Eingang findet. Und nun, welch ein Contrast! nachdem der Sattel einer steilen Höhe erklommen ist. Da entrollt sich zu unsern Füßen, vom Glanz der scheidenden Sonne bestrahlt, ein buntbewegtes, Frohsinn athmendes Bild, wie es farbenprächtiger kaum an den Ufern des Tiber oder Ebro zu finden ist. Die Czerepkoutzer [Cherepkivtsi: 48.017918,25.9648549] Ruthenen feiern heute ihr Kirchweihfest, das ganze Dorf hat sich auf der Hutweide über dem steilen Serethufer versammelt, die Jugend widmet sich mit Eifer dem Tanz, die Alten lagern im Kreise darum, die Kinder tummeln sich in munterem Spiel. Die ruthenische Nationaltracht fesselt zuvörderst das Auge. Der Bursche trägt über weißen Linnenhosen ein ebensolches Hemd, das ein mit gelben Metallknöpfen besetzter, zweifarbiger Wollgürtel umschließt. An diesem befestigt hängt das Messer und das nie fehlende Tabaksbeutelchen, denn das Rauchen geht dem Ruthenen über Alles. Im Nu dreht er sich mit großer Geschicklichkeit eine Cigarette zurecht, und darbt gern tagelang, um sich diesen Genuß nicht entgehen zu lassen. Ueber die rechte Schulter wird die torbenka getragen, eine grellfarbige buntgestickte Wolltasche, in der die wenigen sonstigen Bedürfnisse aufbewahrt werden, den Kopf bedeckt ein hochkrämpiger schwarzer Filzhut, mit Federn und farbigen Glaskugeln geschmückt; Strohhüte sieht man selbst bei der größten Hitze nur bei Zigeunern und Galizianern. Die Füße stecken sonst in mit Schnüren befestigten Ledersandalen, heute in schweren Schaftstiefeln, den Oberkörper umschließt der schwere Schafpelz (kiptar), dessen Außenseite – blendend weißes Leder – mit geschmackvoller bunter Seidenstickerei verziert ist. Bei 26° Hitze in einen solchen eingepackt, würden wir Deutsche wohl bald des Tanzens im Freien überdrüssig, einen Ruthenen rührt dies nicht, er spricht, daß der Pelz die Wärme fernhalte. Auch auf den Hemden der Mädchen und Frauen finden wir auf Schulterstücken und Aermeln die beliebte Buntstickerei in roth, grün, gelb und schwarz. Als Ersatz für den Rock wird die horbotka, ein viereckiges Stück Wolltuch, einige Male eng anliegend um den Körper geschlungen, und dort mittels eines breiten Wollgurtes festgehalten, den Kopf ziert ein grelles phantastisch geschlungenes Tuch oder eine bunte Flitterkrone, bei Verheiratheten stets eine weiße Haube. Auch beim schönen Geschlecht fehlt nicht der schwere Schafpelz und die hohen mit roth und grünen Lederfranzen verzierten Stiefel, den Schluß der Ausstattung bilden 6 – 8 Halsketten von Glasperlen oder blinkenden Münzen. Einige Schlachzizinnen aus Musenitza gewahren wir ebenfalls unter der frohen Schaar; sie sind sofort kenntlich an ihren grasgrünen, rothumränderten Jacken und dem grasgrünen Gürtelbande. Zu der Zeit, als in der einstigen Moldau Jeder das Adelsprädicat erhielt, dessen Grundbesitz zwei gegenüberliegende Nachbargemeinden berührte, ersannen diese Bauern ein probates Mittel. Sie theilten ihre Felder in lauter schmale, parallel von Ost nach West laufende Streifen ein, die alle auf der einen Seite mit Waszkoutz, auf der anderen Seite mit Bahrynestie grenzten, und erwarben sich auf diese schlaue Weise Freiheit und Adel. Ein Geiger und ein Cymbalschläger bilden die Kapelle. Und was wird da getanzt! Die ruthenische Kolomejka, der Poruska, die rumänische Hora, der Oleandru, der Arcan, der huzulische Corban, Czardaß, Popolska und Ländler. Einige erinnern an die wilden Reigen der afrikanischen Negerstämme, einige an unsere Contretänze, einer an unser bekanntes Jugendspiel „Katz und Maus“, Figurentänze wechseln mit langsamen Rundtänzen. Beim Corban stellt sich eine Anzahl Burschen im Halbkreise auf, die Arme gegenseitig verschlungen, und nun beginnt nach dem Tacte der Musik ein regelmäßiges Umherwirbeln, Aufstampfen und Zusammenklappen der Stiefel mit solcher Geschwindigkeit, daß das Auge den Bewegungen kaum zu folgen vermag, wobei sich die Kette fortwährend dreht. Während der Pausen geht der Tabaksbeutel und die Schnapsflasche von Hand zu Hand (dem Bier und Wein kann der Halbasiate keinen Geschmack abgewinnen) und von Neuem wogen die Farben durcheinander, bis der letzte Strahl der scheidenden Sonne dem fröhlichen Treiben ein Ziel setzt. Denn es herrscht hier die sehr lobenswerthe Volkssitte, daß nach Sonnenuntergang sich kein Mädchen mehr außerhalb ihres Gehöftes blicken lassen darf, sollte nicht der gute Ruf verloren gehen. So findet also mit Tagesende auch jeder Tanz und jede Festlichkeit ihren Abschluß. Durch die übermannshohen Geländer aus Weidengeflecht, welche die Dorfstraße zu beiden Seiten begleiten, erhält Czerepkoutz ein ganz eigenartiges Gepräge, man könnte sich leicht in ein ostindisches Kulidorf oder einen Hottentotten-Kraal versetzt denken, wenn man die dunkelfarbigen halbnackten Kinder im Straßenkoth dazu in Betracht zieht. Doch die Gemeinde zeichnet sich vor andern durch den Besitz einer Volksschule aus, und die Geistes- und Körperkräfte des armen Schulmeisterleins aus Mähren werden durch der bösen Rangen zähes Hirn und Kehrseite auf manch harte Probe gestellt. Im ersten Jahre wird hier die ruthenische Schrift, im zweiten die rumänische, im dritten die deutsche Sprache und Schrift gelehrt, und unter den fast durchweg intelligent dreinschauenden ABC-Schützen findet sich auch manch guter Kopf. Dort vor dem letzten Hause liefert uns der Tanasy Kisiuk den „schlagenden“ Beweis der Vollgiltigkeit des ruthenischen Sprichwortes: Zinka njebyta dai kosa njeklepana nje warda niczo (eine ungeprügelte Frau und eine ungedengelte Sense taugen zu nichts), denn er bearbeitet seine 15jährige Frau zum Zeitvertreib mit einem derben Knüttel. Diese ist keineswegs untröstlich darüber, denn „was sich liebt, das schlägt sich“, heißt es hier; stellte der Gemahl das Prügeln freilich für immer ein, so würde sie an seiner Liebe und Treue zweifeln. Auf den Besuch eines der unfernen Huzulendörfer, wo uns die rothosigen Söhne der Karpathen noch manchen interessanten Beitrag zur Völkerkunde geliefert hätten, müssen wir wegen schon einbrechender Nacht für heute verzichten. Tiefe Finsterniß umgiebt uns jetzt, und da Laternen am Wagen nicht landesüblich, so gilt es auf der Hut zu sein, um einen plötzlichen Zusammenprall mit einem andern Fahrzeug zu vermeiden. Endlich tauchen Lichter in der Ferne auf, wir kommen näher und näher, und bald vernimmt man die seltsamen Weisen einer Zigeunerkapelle: in der polnischen Colonie zu Waszkoutz [Vășcăuți: 47.9692655,26.022749] wird getanzt. Aber da benützt man, wie bei uns, den Abend und die Nacht dazu, und nicht den grünen Rasen, sondern die Stube eines der Großbauern. Drüben von der Höhe scheint uns das klagende Flötensolo von der einstigen Größe und dem jetzigen Verfall der polnischen Nation erzählen zu wollen, doch der Rassenhaß ist geschwunden, die hiesigen Polen kleiden sich nach deutscher Art und bestreben sich, die deutsche Sprache zu erlernen: sie stellen dem Kaiser tüchtige Soldaten, dem Gutsherrn brauchbares Arbeitermaterial. Unsere Rundfahrt ist beendet, und dankbar für den Schatz von Erinnerungen, den wir mit hinweg nehmen durften, preisen wir aufs Neue die Wunder der herrlichen Schöpfung des Allmächtigen.