Ria Gold, geborene Meerbaum aus Czernowitz
In der Bukowina war sie in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine sehr bekannte Sportlerin. Skilaufen, Schwimmen und andere Disziplinen waren ihre Leidenschaften. Vier Jahre lang war sie die beste Skiläuferin in der Bukowina. Man erwähnte die Sportlerin in Zeitungsberichten und das Konterfei mit dem dunklen Schopf war fast jedem bekannt.
Am 20. Mai 1912 wurde Ria Meerbaum in Czernowitz geboren. Sport war ihre Leidenschaft, der Makkabi Sportclub ihr Zuhause. Der Vater besaß eine Molkerei und belieferte sämtliche Krankenhäuser in Czernowitz und Umgebung mit seinen Produkten, die Mutter bekam sechs Kinder. Täglich standen vor der Molkerei Körbe mit 200 frischen Brötchen und Faßbutter aus der Molkerei zum Mitnehmen umsonst für jeden Vorbeikommenden. Eine sehr soziale Einrichtung der Meerbaumschen Molkerei in der damaligen Zeit.
Gutbürgerlich wurde Ria erzogen, Not kannte sie keine. Erst als die Russen 1940 in die Bukowina kamen, Deportationen und Enteignungen stattfanden, wurde für die jüdische Familie und andere Ethnien das Leben schwer. 1941 erreichte die Deutsche Wehrmacht Czernowitz und die gesamte Familie Meerbaum kam ins Czernowitzer Ghetto und weiter wurden sie nach Ataki in Bessarabien ins Lager gebracht. Später kam Ria in das Lager Jedinitz. Ihr ältester Bruder wurde von der Sowjetischen Armee eingezogen und irgendwo in Russland von einer deutschen Einheit erschossen und in ein Massengrab geworfen. Zeugen haben gesehen, dass sich das Grab über den verscharrten Leichen wölbte. Rias Leben hat seitdem mit Angst zu tun.
Selma Meerbaum-Eisinger, die zwölf Jahre jüngere Verwandte aus Czernowitz wurde ebenfalls mit ihrer Familie in ein Arbeitslager nach Transnistrien geschafft. Gedichte für ihren geliebten Freund Lejser Fichman schrieb das junge Mädchen in Czernowitz heimlich unter der Schulbank. Lejser Fichman übergab die Gedichte einer Freundin, die sie im Rucksack nach Israel rettete. Lejser, der Freund Selmas, ertrank auf dem Weg nach Palästina und Selma Meerbaum-Eisinger starb 1942 mit achtzehn Jahren an Typhus im Arbeitslager.
Noch vor dem zweiten Weltkrieg studierte Ria Gold Sport bei einer bekannten Sportpädagogin in Wien und irgendwann lernte sie in Czernowitz den Arzt, Dr. Edwin Gold, der in Wien studiert hatte, kennen. In den Mantel half er ihr, der gerade Kennengelernten und am nächsten Tag bekam Ria einen wunderschönen großen Blumenstrauß. In Bukarest heirateten sie. Zusammen wohnten sie einige Jahre in der Rumänischen Hauptstadt, wo 1945 die Tochter Gabriele geboren wurde. Über Umwege emigrierte das Ehepaar Gold mit der Tochter nach England. An der Universität Bristol arbeitete Professor Gold als Arzt und Wissenschaftler bis zur Pensionierung. Gemeinsam zogen die Golds im Jahr 1985 nach West-Berlin, um näher bei der Tochter Gabriele zu sein, die bereits 1972 zu ihrem Czernowitzer Ehemann Eduard nach West-Berlin kam.
Im Mai 2012 feierte Ria Gold ihren hundertsten Geburtstag. Vor einigen Tagen starb sie, die Czernowitzerin, und heute beerdigten wir sie bei winterlichen Temperaturen auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße in Berlin-Charlottenburg.
Christel Wollmann-Fiedler
Berlin, 17. Januar 2013